In diesem Beitrag möchte ich dir einfach mal Orientierung geben. Du hast sicher das ein oder andere Video im Internet gesehen, hast viele Fragen im Kopf und weißt einfach nicht, wo und wie du richtig anfangen solltest...
Ich verspreche dir, dass du am Ende dieses Artikels weniger Knoten im Knopf und dafür ein sichereres Gefühl haben wirst und ich dir vielleicht die ein oder andere Frage beantworten konnte. Lass uns mal bei Null anfangen :-)
1. Worum geht es?
“Bondage” heißt einfach nur, dass die Körperhaltung einer Person von einer anderen im Rahmen eines sinnlichen Spiels dominiert wird. “Rope-Bondage” heißt, dass das Mittel der Wahl konkret Seile (engl. Rope) sind, während beim Bondage allgemein auch andere Materialien, wie z.B. Schals, Handschellen oder Ketten verwendet werden könnten.
Die Japaner haben das Fesseln mit dem Seil zu einer eigenen Kunstform gemacht. “Jemanden (mit Seilen) zu binden” wird im Japanischen “Shibari” genannt.
Eine fesselnde Person heißt “Rigger” und die gefesselte Person wird Model genannt. Ein veralteter Begriff für Bondagemodel lautete “Bunny”. Die Japanische Bezeichnung für Model und Rigger sind Ukete für das Model und Nawashi oder Bakushi für den Fessler.
Jemanden im sinnlich-erotischen Kontext und mit dessen Zustimmung (Konsens) zu fesseln, also Shibari oder Bondage miteinander zu praktizieren, ist eine von vielen Spielarten des weiten Spektrums des BDSM.
Link: Bondage, Shibari oder Kinbaku?
Warum Seil?
Um eine Person im Rahmen eines aufregenden Spiels bewegungsunfähig zu machen, greifen viele BDSM-Spieler auf praktische Lösungen, wie z.B. Riemen, Fixierungssysteme, Manschetten oder eben den Klassiker, Handschellen, zurück.
Seil hingegen braucht oft bedeutend länger in der Anwendung, - der Akt des Fesselns selbst kann einen großen Teil des Spiels ausmachen - hat aber entscheidende Vorteile:
- Es ist viel vielfältiger im Einsatz und kann jeder Situation oder körperlichen Gegebenheit schnell angepasst werden
- Es gibt einen großen ästhetischen Aspekt, der vielen sehr zusagt
- Seilfesselungen sind oft viel belastbarer und stabiler als z.B. günstige Manschetten oder Schals, wodurch sich die gefesselte Person vielleicht noch ausgelieferter und wehrloses fühlt - gerade das sorgt für einen extra Kick.
- Man fokussiert sich während dem Fesseln sehr aufeinander. Gerade diese gezielte Aufmerksamkeit und Nähe ist für viele sehr schön.
- Shibari bietet auch der fesselnden Person die Möglichkeit, sich kreativ auszuleben.
- Für die Fortgeschrittenen ist auch die Möglichkeit, in den Seilen zu hängen oft eine aufregende Vorstellung.
Das waren nur ein paar wenige Gründe, warum viele Menschen das Seil anderen Fixierungsmaterialien klar vorziehen.
Auch gibt es viele Menschen, die einfach das Gefühl von Seilen auf der Haut oder den Druck der dadurch entsteht lieben oder sogar einen Fetisch für das Material entwickelt haben.
Warum möchten Menschen gefesselt werden?
Es gibt die verschiedensten Gründe, warum Menschen es genießen, gefesselt zu werden oder aktiv zu fesseln.
Grundsätzlich: Menschen sind neugierige Wesen. Und unsere spielerische Natur kommt besonders dann zum Ausdruck, wenn wir die Möglichkeit haben, im sicheren Rahmen (und das ist die wichtigste Bedingung!) neues auszuprobieren. Dafür muss niemand einen Fetisch haben, pervers sein oder auf BDSM stehen - viele Menschen wollen einfach mal wissen, wie es ist, gefesselt zu sein. Es gibt oft gar keinen komplizierten Grund - es ist einfach Experimentierfreude und Neugier.
Dann stellen sie fest, dass das total aufregend und sinnlich sein kann und auch partnerschaftlich eine tolle Aktivität ist, die wir sonst im Alltag auf die Art und Weise nur selten haben. Manche praktizieren Shibari daher wie andere zum Salsa oder Tango gehen.
Durch das “du könntest mit mir machen was du willst- ich bin dir ausgeliefert” kommen wir Menschen u.a. an große Mengen Adrenalin und Endorphine - es entstehen emotionale Zustände, die einfach spannend und aufregend sind und von manchen sogar als Rauschähnlich wahrgenommen werden. Gefesselt zu sein macht etwas mit dem Körper und dem Gehirn. Wenn dann noch Druck- und Dehnungsschmerz durch die Fesselung dazu kommt, gibt es für manche Menschen einen Kick im Kopf und sie werden regelrecht High davon.
Was dann wie die Beschreibung einer perfekten BDSM-Session mit ausgiebigen Fessel-Sex klingt, geht aber auch ohne: Viele Menschen genießen das Seil und gemeinsames Fesseln mehr auf einer geistigen und emotionalen Ebene - der Körper ist zwar Hauptakteur, zusätzliche Stimulation würde aber die Trance unterbrechen oder als Zuviel erlebt werden. Das ist wohl auch abhängig von der Intensität und Art und Weise der Fesselung.
Halten wir fest: Shibari kann ganz wunderbar mit Sex und Erotik kombiniert werden, funktioniert aber auch ohne jede bewusst zelebrierte Sexualität.
Menschen genießen es dann auch einfach mal, dass sie endlich nichts mehr entscheiden und kontrollieren müssen - wenigstens für die paar Minuten im Seil, sind sie für nichts mehr verantwortlich und dürfen sich (dem Partner, dem Zustand, dem Innenleben,...) hingeben.
Es gibt zudem Theorien, wonach viele von uns in Fesselungen besonders gut entspannen können, da das Gehirn an die Zeit im Mutterleib erinnert wird.
Ich hoffe ich konnte dir eine Idee geben, warum das Bedürfnis, sich mit Bondage zu beschäftigen, vielleicht sehr viel normaler und verbreiteter ist, als man denkt und viele verschiedene Motivationen haben kann. Mit dir ist nichts falsch, wenn du Lust hast, das auszuprobieren - ob jetzt derbe versaut oder einfach nur aus forschender Neugier.
2. Das Model
Noch bevor wir über die besten Seile reden, müssen wir mit unserem Model kommunizieren. Ein geeignetes Bondagemodell muss zwei Bedingungen erfüllen: Er oder Sie muss das 18. Lebensjahr vollendet haben - sonst machen wir uns strafbar - und sollte von sich aus richtig Lust darauf haben, gefesselt zu werden - ohne Konsens, also die klare Zustimmung, dürfen wir niemanden fesseln.
Grundsätzlich gilt: Je besser die Kommunikation zwischen den Fesselpartnern, desto sicherer die Fesselsession. Hier ein paar Dinge, die du vorab mit deinem Model besprechen solltest:
- Frag dein Model, wie er oder sie sich vorstellen könnte, gefesselt zu werden und welches Gefühl idealerweise dabei enstehen könnte (gleiches darf auch gerne die fesselnde Person beantworten)
- Kläre vorher ab, ob Verletzungen oder Einschränkungen vorliegen. Besonders aufpassen solltest du bei Diabetikern, Epilepsie, Erkrankungen der Durchblutung und bei Schwangeren.
- Macht vorher aus, was neben dem Fesseln für euch noch zur Session gehören könnte - was für den einen “normal” wäre, ist es für den anderen vielleicht nicht. Eine weitere Frage wäre auch, wieviel Kleidung noch zwischen Seil und Haut sein soll.
Für reine Fesselsessions ist es unüblich, dass ein extra Safeword vereinbart wird, da die normale Kommunikation auch während dem Fesseln immer gewährleistet ist und man einfach normal miteinander redet, wenn was nicht stimmen sollte.
Link: Warum unsere Bondagemodells nicht mehr "Bunny" heißen
Die Aufgabe des Models
Während die fesselnde Person die volle Verantwortung für die körperliche und psychische Sicherheit des Models übernimmt, plant, übt, fesselt und sich vor allem vorab über mögliche Risiken und Gefahren informiert, hat auch das Model eine Aufgabe:
Ein Bondagemodell hat die Aufgabe, uns zu sagen, wenn etwas nicht in Ordnung ist, wehtut oder er/sie befreit werden möchte. Wir als Fesselnde müssen uns darauf blind verlassen können, dass uns alles gemeldet wird, was unangenehm ist, drückt, einschneidet etc. Nur mit der Hilfe des Models können wir Verletzungen reduzieren und brauchen nicht alle paar Sekunden “Ist wirklich noch alles in Ordnung?” fragen.
Diese Aufgabe ist für viele Models sehr schwer, da sie uns gefallen wollen und nicht diejenigen sein wollen, die dann “die Session kaputt gemacht” oder “rumgeheult” haben. Bitte erkläre deinem Model diesen Punkt und übt Kommunikation und das “Nein” sagen, bzw. das Probleme-melden. In den meisten Fällen können wir als Fesselnde die Seillagen korrigieren und die Ursache des Übels in wenigen Sekunden aus der Welt schaffen. Das ist ein normaler Vorgang beim Bondage, der am Ende beide schützt: Das Model will keine Verletzungen und wir wollen niemanden mit unserer Fesselung verletzt haben.
Link: Was du beim Thema Konsens vielleicht noch nicht wusstest
3. Welche Seile am besten für Bondage sind
Ich könnte bei diesem Punkt wirklich ewig philosophieren und seitenlang die Details erläutern. Aber ich werde mich zwingen, mich bei diesem Punkt so kurz wie möglich zu fassen:
Am besten machst du einen Fehler als erstes mal nicht: dir billige sog. “Bondageseile” für 4€/Stück zu kaufen. Es verhält sich so wie mit guten Messern - jeder Euro mehr zahlt sich aus und mit einem Buttermesser kann man keine Möhren vernünftig schneiden. Also:
- Du holst dir Seile aus Jute oder Hanf in 5-6 mm Durchmesser und 8 Metern Länge. Das ist ein Standardmaß.
- Du brauchst für die ersten Versuche mindestens 4 Seile á 8 Meter
- Sehr nützlich, wenn auch nicht notwendig, sind 2 zusätzliche Seile á 4m (die brauchst du für kurze Distanzen, z.B. Handgelenk zu Bettpfosten).
- Gehe davon aus, dass ein einzelnes Seil zwischen 15€ und 25€ kosten wird. Das ist ein völlig normaler Preis.
- Verzichte auf Schwarze Seile - selbst bei guten Lichtverhältnissen wirst du Schwierigkeiten haben, die Windungen und Knoten zu erkennen.
- Außerdem wagst du es nicht, deine zukünftigen Bondageseile im Baumarkt zu suchen. Baumärkte verkaufen idR Kunsthanf (Plastik!) und haben nur in Ausnahmefällen reine Juteseile (und dann eher in schlechter Qualität).
Und wo wir gerade dabei sind, hier zwei Regeln gleich zum mitnehmen:
- Seile aus Jute oder Hanf werden auf gar keinen Fall gewaschen. Jeder Wasserkontakt reduziert die Bruchlast.
- Seile aus Naturfasern werden nicht in Plastik (-boxen oder -tüten) gelagert, sondern immer in luftdurchlässigen Stoffsäcken.
Und du brauchst immer ein Notfall-Schneidewerkzeug. Dieses sollte immer bei den Seilen liegen und im schlimmsten Fall ein Jute- oder Hanfseil problemlos aufschneiden können.
Je weicher das Seil, desto höher ist die Verletzungsgefahr. Das bedeutet, dass Seile aus Baumwolle, die so schön weich und flauschig sind, zu einer großen Gefahrenquelle werden können, da sie sich unter Zug zuziehen und in die Haut einschnüren werden. Zudem kann sich dein Model bei nachgiebigen Seilen viel leichter befreien - egal wie gut du fesselst. Das wird dir bei Fasern aus Jute und Hanf definitiv nicht passieren.
4. Welche Fesselungsarten gibt es?
Es gibt verschiedene Arten von Fesselungen - ganz vereinfacht kann man sagen, es gibt Fesselungen, die rein dekorativ sind und die Bewegungsfreiheit der Person nicht einschränken (sog. non-restrictive ties oder auch Deko-Bondage) und solche, die klar darauf abzielen, den Körper zu fixieren (sog. restrictive ties).
Weiter kann man unterscheiden zwischen Fesselungen auf dem Boden (Floorwork) und in der Luft (Hängebondages/ Suspensions) und solche, die nur einen Teil des Körpers anheben (Halb-Suspension/ Semi-Suspension).
Wir können Fesselungen aber auch nach vielen weiteren Arten unterteilen, z.B. nach den verwendeten Objekten, wie z.B. Fesselungen an Holzsäulen (jap. Hashira), mit Bambusstäben in der Fesselung (Bo & Take Shibari), an Stühlen oder in Betten.
Fesselungen können auch unterteilt werden je nach gefesselten Körperteilen, z.B. Haarbondage, Schrittbondage, Beinfesselung, Oberkörperfesselung, etc…
Dann gibt es noch Einteilungen nach Stil (Western Style, Military, Japanese Bondage oder Hybrid / Fusion Ties), nach Material oder auch Schule des Lehrers innerhalb des Japanischen Bondages (z.B. Osada Ryu, Naka Style).
5. Die bekanntesten Fesselungen
Es gibt eine Hand voll Fesselungen, die fast jeder Fessler in seiner Ausbildung gelernt hat oder als Standard regelmäßig anwendet. Ich möchte dir ein paar der bekanntesten Fesselungen vorstellen:
- Takate Kote / Gote Shibari oder der Box Tie: Bei dieser Fesselung werden die Arme in Form einer Box auf den Rücken gebunden.
- Strappado: Die Arme sind gerade gestreckt auf dem Rücken und werden eng zusammengebunden.
- Spread Eagle / Seestern: Das Model liegt als “X” gefesselt auf dem Bett
- Hogtie: Jede Fesselung, bei der das Model auf dem Bauch liegt und die Arme und Beine hinter dem Körper gefesselt sind.
- Futomomo / Chicken Wing: Hier wird der Ober- auf den Unterschenkel gefesselt.
- Bunny Tie: Die Arme werden hinter dem Kopf gefesselt, so dass die Ellenbogen wie zwei Hasenohren aussehen.
Es gibt wirklich noch so, so so viel mehr Fesselungen und von jeder einzelnen noch unzählige Varianten und Techniken.
Außerdem gibt es den Single und den Double Column Tie. Damit wird eine einfache Technik bezeichnet, bei der ein oder zwei Gliedmaßen zusammengebunden werden oder ein einzelnes Hand- oder Fußgelenk fixiert wird.
6. Wie du am besten beginnst
Der Ort
Jetzt hast du im Idealfall einen Menschen, der gerne von dir gefesselt werden möchte und du hast auch schon geeignete Seile sowie ein Notfallschneidewerkzeug besorgt. Was du jetzt unbedingt noch brauchst, ist ein geeigneter Ort für die ersten Fesselversuche.
Am besten fesselst du auf einem weichen Teppich. Im Stehen ist eher ungemütlich und könnte dazu führen, dass dein Model stürzt oder dauernd das Gleichgewicht zu halten versucht. Besser ist es im Sitzen auf dem Boden - idealerweise blickgeschützt, weich und warm genug.
Im Bett zu fesseln ist tatsächlich oft unterschätzt - du bleibst mit dem Seil oft an Kissen, Bettpfosten oder Decke hängen und sinkst selbst mit den Knien ein, was es schwer macht, dem Fesselpartner genügend Sicherheit zu geben.
Training vs Einsatz
Vertraue mir, wenn ich dir sage: Fesseln sieht viel einfacher aus, als es ist. Daher übe unbedingt vorher, damit du dich dann im Ernstfall nicht blamierst. Übe an dir selbst, einem ausgestopften Pullover oder einem Arbeitskollegen. Am besten aber mit deinem Fesselpartner - vereinbart eine Trainingssession (20 Minuten reichen meistens schon) und probiert einfach mal aus: Was funktioniert für euch, was nicht? Was müsst ihr verändern, was muss enger/lockerer?
In der “echten Session” wendet ihr dann genau die Fesselung aus dem Training an - so könnt ihr euch beide fallen lassen und auch auf der fesselnden Person liegt nicht so viel Performance-druck. Mach das, was funktioniert und zuvor getestet wurde.
Selfbondage
Beginne als fesselnde Person am besten damit, dich selbst zu fesseln. Am Anfang geht es nämlich hauptsächlich nur um folgende Punkte:
- Die richtige Enge herauszufinden: Wann rutschen die Seile? Wann sind sie zu fest?
- Das Muskelgedächtnis aufzubauen: Routine in Abläufe zu bekommen - wie bei Tanzschritten. Das geht ausschließlich über Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung…
- Die Seilführung meistern: Das heißt, dass deine Seilenden am besten nicht wild in der Gegend herumfliegen sollten, sondern mit deinen Händen geführt werden. Wir wollen die Seilenden bis in die Spitzen kontrollieren durch angepassten Zug und Führung. So bekommt unser Model später auch nicht die Seilenden um die Ohren gehauen - das gilt nämlich als unprofessionell.
Du musst es ja niemandem erzählen, dass du dich zu Übungszwecken selbst fesselst. Aber wir haben das alle so gemacht und machen das oft bis heute, wenn wir z.B. bestimmte Techniken und Fesselungen testen und gerade kein Model zur Hand haben.
Wenige ist Mehr
Ein weiterer guter Tipp für den Beginn ist “weniger ist mehr”. Ich weiß, dass man - gerade am Anfang - sein Model beeindrucken möchte und am liebsten ganz viele verschiedene Figuren schon drauf haben können will. Das dauert aber einfach seine Zeit…
Ich verrate dir jetzt ein großes Geheimnis: Wenn du willst, dass dein Model durch deine Fesselung in Ekstase Sabbert und Zuckt und sich voller Hingabe gefesselt vor dir räkelt, dann gewinnst du dieses Rennen nicht mit Technik.
Natürlich sollte deine Seilfesseltechnik so gut sein, dass sich dein Model wohl und sicher fühlt (das kommt durch gutes Training und Üben)
Aber weder ein perfektes Muster noch ein technisch korrekt ausgeführter Hüftharness wird dir Emotionale Hingabe einbringen. Es hat viel mehr was mit Selbstsicherheit und Erfahrung zu tun. Es hat damit was zu tun, wie sehr dir dein Model vertraut. Das Seil ist nur ein Hilfsmittel - dein verlängerter Arm.
Daher ein wichtiger Tipp für dich als Anfänger: Fokussiere dich auf eine Hand voll Fesselungen und fessel die so, dass sie sich einfach gut anfühlen. Das beinhaltet auch, dass die Seile gut liegen und an der richtigen Stelle sind (Sicherheit) - damit alleine hat man meistens schon genug zu tun. Du brauchst nicht 100 verschiedene Techniken können. Am Anfang fährst du am besten, wenn du ein paar wenige Fesselungen kannst- die aber richtig gut im Flow gefesselt werden können.
Die Shibari Basics für den Anfang
Ich habe für meine Schüler die “Shibari Basics” zusammengestellt. Das ist ein PDF, mit dem dem du die Grundlagen im Selbststudium sicher erlernen kannst. Die ersten Schritte mit dem Seil müssen nämlich nicht verwirrend oder trocken sein - im Gegenteil. Mit einfach erklärten Schritten kannst du mit Hilfe der Anleitungen in kürzester Zeit tolle Ergebnisse erzielen.
Link: Hol dir hier das PDF "Shibari Basics" und lerne die ersten Schritte mit dem Seil
7. Sicherheit beim Fesseln
Beim Fesseln mit dem Seil haben wir leider immer eine Grundverletzungsgefahr. In diesem Abschnitt beziehe ich mich ausschließlich auf die typischen Verletzungen von Anfängern auf dem Boden (ausgenommen sind Hängebondages, da die nochmal ein ganz eigenes Risiko birgen).
Womit du rechnen musst
Was eigentlich fast immer beim Fesseln passiert, sind sog. “Ropemarks”. Das sind Seilabdrücke, die noch Stunden später als “Trophäe” auf der Haut zurück bleiben können. Am Anfang kann es auch dazu kommen, dass Haut eingeklemmt oder abgeschürft wird. Ziehst du das Seil zu schnell über die Haut, könnte es zu Verbrennungen kommen - hier also besonders aufpassen.
Bei Bodenformen kommt es eigentlich nicht zu blauen Flecken oder Hämatomen. Das ist eher bei Hängungen der Fall.
Was zu vermeiden ist
Grundsätzlich gilt, dass wir Gliedmaßen nicht 360 Grad abschnüren dürfen, da das zu einem Blutstau führen könnte und das Verletzungsrisiko für Nerven erhöht. Fesselst du zwei Gliedmaßen zusammen, darf das auch gerne schon mal etwas enger sein.
Das heißt, dass du ein einzelnes Handgelenk besonders vorsichtig fesseln solltest- hier ist weder viel Muskel noch Fett. Um die Verletzungsgefahr zu reduzieren arbeiten wir also immer super penibel mit dem Seil, wenn wir Gelenke fesseln. Die Seile dürfen sich dort nicht überkreuzen oder verdrehen. Außerdem halten wir immer etwas Abstand zwischen Seil und Gelenk ein, so dass nichts abgeschnürt werden kann.
Seile, die zu eng um oder am Hals gelegt sind, könnten nicht nur zu einem Blutstau am Kopf führen, sondern auch den Carotis-Sinus-Reflex auslösen. Das wäre eine sofortige Bewusstlosigkeit, da das Gehirn aufgrund des steigenden Blutdrucks durch die Seile Schaden nehmen könnte. Die Aussage “Keine Seile um den Hals” hat also nicht nur mit dem Risiko der Atemnot zu tun, sondern auch mit der Gefahr des zu hohen Drucks auf die Blutadern.
Wovor wir als Fesselnde aber am meisten Angst haben, sind Nervenverletzungen: Wenn die Hand, das Bein oder der Fuß einschläft, kann das verschiedene Gründe haben. In den meisten Fällen kommt das Gefühl nach dem Abfesseln auch sofort wieder zurück. Bleibt es aber bestehen, kann es zu einer Nervenverletzung gekommen sein.
Der Klassiker der schlimmen Verletzungen beim Bondage ist eine sog. Fallhand, hier wurde der Radialisnerv beschädigt und das Model ist dann für Minuten, Stunden, Tage, Wochen oder im schlimmsten Fall sogar Monate (!) in der Bewegung der Hand eingeschränkt. Zahnbürste halten, Zopfhalter binden oder Knöpfe drücken kann dann für Daumen, Zeige- und MIttelfinger schwierig sein. Zwar kann man dann die Hand bewegen, hat aber keine Kraft in den betroffenen Fingern. Hat man mehr “Glück” ist es “nur” eine taube Hautoberfläche, die ebenso bis zu Wochen und Monaten anhalten kann.
In beiden Fällen ist medizinisch/therapeutisch nichts zu machen außer abzuwarten. Nervenverletzungen sind auch der Grund, warum immer vor Hängebondages ohne professionelles Training vorab gewarnt wird.
Was ungefährlich(er) ist
Grundsätzlich ist es bei gesunden Menschen weniger schlimm, wenn sich mal eine Hand oder ein Unterschenkel bläulich verfärbt, kalt wird oder die Adern etwas heraus kommen.
Es handelt sich hier idR um einen venösen Blutstau, der für ein paar Minuten recht ungefährlich ist und für die meisten Fessler und Models einfach ab und an dazu gehört. In dem Moment, wo dein Model aber über Schmerzen oder ein Taubheitsgefühl in demselben Körperteil berichtet, müssen wir sofort handeln und die Fesselung verändern.
8. Wie wir fesseln
Hier habe ich noch fünf kurze Punkte für dich, die du gerne schon mal mitnehmen darfst:
- Wir nehmen unsere 8 Meter Seile immer doppelt und beginnen immer mit der Mitte - also fesseln wir im Grund genommen “nur” mit 4 Metern.
- Wenn ein Seil zuende ist, können wir ein neues Seil ansetzen. Dafür befestigen wir die neue Seilmitte an den Seilendknoten des alten Seils.
- In den meisten Fällen beginnen wir jede Fesselung mit dem sog. “Single Column Tie”. Dabei gehen wir zwei Mal um ein oder zwei Gliedmaßen, z.B. Handgelenke, Taille, Bein, etc., und machen einen Knoten.
- Beim Single Column Tie haben wir dann zwei Seilenden, die aus dem Knoten gucken: das lange Seilende, mit dem wir nun weiter die Fesselung aufbauen, als auch die kleine Seilmitte. Mit dieser arbeiten wir nicht weiter - sie bleibt frei, so dass wir im Notfall den Knoten mit ihr lösen und das Handgelenk befreien können.
- An Stellen, wo die Fesselung besonders viel Druck aushalten soll, machen wir Doppellagen. Das heißt, wir gehen mit unserem Seil 2x um den Körper herum und machen anschließend einen Abschluss.
Link: Wie man besser fesseln lernt
Link: Die Neurobiologie des Fesseln Lernens. Wie du effektiver und schneller Shibari lernst
9. Was du beachten solltest
Und zu guter Letzt noch eine paar Tipps, was du von Anfang an beachten solltest:
- Gliedmaßen - insbesondere die Handgelenke - sollten niemals einzeln 360 Grad mit dem Seil abgeschnürt werden. Das kann zunächst zu Schmerzen und Hautverletzungen führen und dann wird es ggf. blau und kalt. Die Gefahr ist aber dann, dass Nerven verletzt werden und das Model dies nicht mehr spürt und melden kann. Pass also besonders mit den Handgelenken auf und fessel hier besonders saube rund sorgsam.
- Wenn du das Seil zu schnell über die Haut ziehst, könnte das zu schlimmen Verbrennungen führen. Also lieber vorsichtig durchziehen.
- Die Seilenden sollten nicht willkürlich in der Gegend herumfliegen beim Fesseln. Achte darauf, dass dein Seil bis in die Spitzen kontrolliert wird und dein Model nicht die Seile ins Gesicht geschlagen bekommt.
- Versuch von Anfang an, die Seillagen sauber und gleichmäßig zu platzieren - ohne Drehungen im Seil. Je sauberer du fesselst, desto weniger wird sich dein Model beschweren und desto sicherer fühlt sich die Fesselung an.
- Vermeide verdickte Stellen besonders an den Gelenken. Verdickte Stellen enstehen, wenn du einen Knoten machst, mehrfach über dieselbe Stelle fesselst oder das Seil verlängerst und dann eine angesetzte Seilstelle in der Fesselung hast. Diese verdickten Stellen drücken sich die Haut rein und können gerade an Gelenken sehr unangenehm sein, bzw. auch Nerven beschädigen.
Es gibt noch so viel mehr zu sagen und zu beachten. Aber für einen ersten Einblick hast du vielleicht das ein oder andere erfahren können.