Japanische Fesselkunst- für mehr Freude zu zweit
Ohne Vorkenntnisse wunderschöne Fesselungen lernen- ästhetisch, sicher und 100% einsatzfertig.
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Heute soll es um ein Thema gehen, was für uns als Fesselnde super wichtig ist und was oft viel zu wenig Beachtung findet. Du bekommst hier einen kleinen Crash-Kurs zum Thema “Konsens” oder “Einvernehmlichkeit”. Los geht´s!
Der Satz „Er fesselte sie, bis sie hilflos am Boden lag“ könnte aus einem SM-Roman oder der Beschreibung eines Gewaltverbrechens stammen. Der entscheidende Unterschied liegt im Konsens: Bei einer Bondage-Session hat die gefesselte Person vorher zugestimmt und kann jederzeit das Spiel beenden. Zwar gibt es weitere Merkmale, die Bondage von Gewalt unterscheiden, aber im Zentrum steht die Zustimmung und Einvernehmlichkeit der Handlungen.
Unter Konsens im Rahmen einer Fessel- oder BDSM-Session versteht man, dass alle Beteiligten aktiv und freiwillig ihre Zustimmung zu den geplanten Aktivitäten gegeben haben. Das setzt voraus, dass man vorab über Wünsche, Vorlieben, Grenzen und Erwartungen redet und einen gemeinsames Verständnis darüber entwickelt, wie die Session aussehen könnte oder solte.
Hier bekommst du ein paar mögliche Fragen, die du deinem Fesselmodell vorab stellen könntest, um sicherzugehen, dass ihr beide auf derselben Seite seid:
Du solltest bei neuen Seilmodellen und in den ersten Sessions am besten immer genau versuchen zu erklären, was du planst und mit welcher Intention, z.B. “Ich werde dich jetzt am Boden fesseln und mich dann neben dich setzen und dich beobachten - ich möchte, dass du richtig spüren kannst, dass du dich nicht mehr bewegen kannst und so richtig in das Gefühl gehen kannst. Ich werde dann eventuell noch das ein oder andere an der Fesselung verändern, so dass du noch kurz noch sehr intensiv die Seile spürst, bevor ich dich wieder abfesseln werde.”
Punkt 1: Der Konsens einer Person verlangt, dass diese Person voll zurechnungsfähig und in Besitz ihrer geistigen Kräfte ist. Das bedeutet auch, dass wir neue Modelle nicht fesseln sollten, wenn sie ihren Wunsch unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen formuliert haben.
Punkt 2: Der Konsens muss informiert getroffen worden sein. Das heißt, dass eine Person nur dann zu etwas zustimmen kann, wenn sie genug Informationen über die geplante Sache hat. Ich empfehle hier meinen Rope-Model Guide.
https://berlinropes.de/mehr-erfahren/info-pdf-fuer-bondagemodelle
Punkt 3: Der Konsens kann jederzeit widerrufen werden. Das gilt auch während der Session. Das Zurücknehmen des Konsens sollte immer respektiert werden und niemals mit ernsten Konsequenzen für die Person bestraft oder geahndet werden.
Punkt 4: Über die Angelegenheit, zu der zugestimmt werden soll, muss Klarheit herrschen. Das heißt, dass nichts angenommen wird oder hinzugedacht wird. Bsp: Nur weil eine Person zum Gefesselt werden zugestimmt hat, hat sie noch lange nicht ihren Konsens dazu gegeben, dass sie dabei auch sinnlich berührt und umarmt werden möchte.
Punkt 5: Ein Safeword vorab zu vereinbaren ist zwar super - genügt aber nicht für einen Konsens. Safewords und Sicherheitskommunikation gehören zur Wahrung des Konsens dazu, sind aber alleine nicht ausreichend.
Punkt 6: Wenn eine Person zu einer Aktivität einmal ihren Konsens gegeben hat, heißt das nicht, dass dieser auch später noch genauso besteht.
Punkt 7: Es gibt ungesunden Konsens, z.B. wenn eine Nicht-Zustimmung die Bindungssicherheit (oder die Beziehung) gefährden würde und eine Person nur daher zustimmst, weil sie sonst mit Nachteilen oder Liebesentzug rechnen muss. Ein ungesunder Konsens liegt vor, wenn die Person nur zustimmt, weil sie z.B. Geld zum Überleben braucht oder das Gegenüber beeindrucken oder sich ihr gegenüber beweisen will.
Ist der Antrieb des Konsens Freude, Spaß, Intimität, Ausprobieren o.ä., handelt es sich um einen gesunden Konsens. Ein ungesunder Konsens basiert auf Angst oder der Sorge, etwas anderes durch das nicht-einwilligen, zu verlieren.
Punkt 8: Jetzt wird es kompliziert! Es gibt auch einen vorgetäuschten Konsens, von dem selbst die zustimmende Person getäuscht wird, denn sie täuscht nicht bewusst. Es handelt sich hierbei um die sogenannte “Fawn-Response”. Das ist eine Traumareaktion, bei der eine Person z.B. in der Kindheit lernen musste, dass man nur überleben kann, wenn man zustimmt und mitmacht (auch wenn man das in Wirklichkeit gar nicht will).
Wie kommt es dazu? Menschen sind in einer für sie noch neuen Situation - wie z.B. einer BDSM- oder Fessel-Session innerlich so überfordert (das zeigen sie oft nicht), dass sich ihr Unterbewusstsein hilflos und quasi lebensbedrohlich-unterlegen fühlt. Daher stimmen sie zu allem möglichen zu, um die eigene Sicherheit nicht zu gefährden. Es handelt sich also um einen Überlebensmechanismus, bei dem das Nervensystem im Hoch-Stress ist. Nach außen hin ist das schwer zu erkennen… wichtig für Fesselnde zu wissen ist nur, dass wir auch aus diesem Grund uns mit neuen Seilmodellen immer sehr viel Zeit lassen sollten, so dass wir ein Vertrauensverhältnis aufbauen können (sichere Bindung) und sie lernen durften, dass ihr “Nein” von uns immer gehört und respektiert wird.
Punkt 9: Auch die fesselnde Person sollte mit sich selbst im reinen sein. Es gibt immer wieder Fälle, wo Menschen indirekt gezwungen werden, ihre Partner zu fesseln oder zu (gefährlichen) Handlungen zustimmen, die sie nur machen, um das Seilmodell zu beeindrucken oder nicht als “Weichei” oder “schlechte Fessler” dazustehen. Im Punkt IV geht es um Fragetechniken, die auch uns als Fesselnden helfen können, Bewusstsein für den eigenen Konsens zu erlangen.
Punkt 10: Dieser Punkt sollte für uns als Seilfreunde nicht wichtig sein, ich wollte es aber nicht unerwähnt lassen: In BDSM-Kreisen gibt es Menschen, die genau dafür eine Vorliebe haben, dass ihre Zustimmung für eine Session oder eine Praktik eben nicht gegeben wurde. Dann spricht man von “Metakonsens”. Zwar gibt es auf der Spielebene, wo beide Partner in ihren Rollen sind, keinen Konsens (es wird sich gewehrt und die Person darf in der Rolle des Opfers voll und ganz aufgehen), jedoch wurde über diese Spielebene zuvor verhandelt und es besteht ein übergeordneter Konsens. Diese Praktik wird als CNC bezeichnet (“Consensual non-Consent”) und gilt als fortgeschrittenes Spielvariante, die viel Kommunikation und Feingefühl vorab erfordert.
Ein wichtiger Punkt ist auch die Frage, woher man denn wissen könne, was man will. Ich möchte dir zwei Techniken zur Hand geben, mit der du das herausfinden kannst oder die du deinen Seilmodellen als Hilfestellung anbieten könntest:
Die “Hell Yeay”-Technik: Wenn du gefragt wirst, ob du die Technik oder Fesselung XY möchtest und du kein “Oh mein Gott, JA!!” verspürst, dann frag zunächst nach mehr Informationen. Wenn dann noch immer kein “Hell, YES!” in dir aufkommt, dann entscheide dich besser für ein “Nein”. Wurmt dich dann die Entscheidung, weil die Neugier zu groß ist, dann verschaffe dir Zeit , z.B. “Lass uns beim nächsten Fesseln nochmal darüber reden”.
Der Körper-Marker: Man kann davon ausgehen, dass unser Körper über eine große innere Weisheit verfügt und wir unterbewusst genau wissen, was uns gut tut und was nicht. Das Problem ist aber, dass viele Menschen verlernt haben, auf ihren Körper zu hören und seine Impulse gar nicht mehr wahrnehmen. Um eine Körperantwort zu bekommen, kalibrieren wir zunächst:
1. Stell dir etwas wirklich schönes vor, z.B. ein Wellness-Abend oder eine wunderbare Umarmung. Achte darauf, wie dein Körper auf die Vorstellung reagiert und wie sich ein “Ja” anfühlt - wird es vielleicht warm in der Brust? Gibt es ein Kribbeln in den Beinen? Hast du das Gefühl, dass dein Körper sich entspannt oder öffnet? Wie verändert sich die Atmung bei einem “Ja”?
2. Stell dir nun etwas vor, was du ganz bestimmt nicht möchtest und registriere wieder, wie dein Körper auf die Vorstellung reagiert. Die meisten Menschen nehmen ein “Nein” als Anspannung wahr, der Atem stockt vielleicht oder es gibt ein Gefühl von einem Knoten im Hals.
Es kann zu Anfang herausfordernd sein, die oft sehr subtilen Zeichen des Körpers wahrzunehmen. Wenn man das aber im Alltag immer wieder trainiert, wird man bald sehr deutliche Antworten vom Körper empfangen.
Einer der wichtigsten Punkte für Seilmodelle ist es, herauszufinden, was sie eigentlich wollen und sich von der Fessel-Session erhoffen. Je mehr Klarheit über die Intention herrscht, desto besser kann über Wünsche, Grenzen und Vorstellungen gesprochen werden. Es lohnt sich auch immer, den Konsens zu hinterfragen, wenn man sich nicht hundertprozentig sicher ist: “Für wen oder was oder zu welchem Zweck stimme ich dem eigentlich zu?”
Als letztes möchte ich dir noch die Arbeit von Frau Dr. Betty Martin zum Thema Konsens vorstellen. Die Amerikanerin hat durch ihr Buch “The Art of Receiving and Giving: The Wheel of Consent” und ihre Schulungen das Konzept des Konsens auf ein neues Level gebracht und die Sensibilität für dieses Thema - auch innerhalb der BDSM-Szene - erhöht. Konsens ist laut Martin eine Vereinbarung, bei der entweder gegeben oder empfangen wird. Zusammen mit dem Gegenüber ergeben sich 4 grundlegende Ebenen der Interaktion:
Dies beinhaltet das aktive Empfangen und das klare Kommunizieren deiner Wünsche, z.B. “Welche Berührungen empfinde ich als erfüllend?”, “Wie kann ich meine eigenen Bedürfnisse und Wünsche klar ausdrücken?”. Du kannst hier einen Nutzen aus den Handlungen anderer ziehen (Annehmen) und darfst fragen: “Würdest du…?” Versuche nicht, der gebenden Person eine möglichst angenehme Erfahrung machen zu wollen - das ist hier nicht deine Aufgabe. Du kannst jederzeit deine Meinung ändern und um etwas anderes bitten.
Du hast einen Einfluß darauf, wie du berührt wirst. Eine Berührung zuzulassen ist auch immer ein Geschenk an das Gegenüber - nämlich den Zugriff auf dich und deinen Körper zu haben. Deine Verantwortung dabei ist dabei, deine Grenzen zu kennen und zu kommunizieren. So kannst du jemandem “Ja, du darfst” als Erlaubnis schenken. Hier darfst du dich fragen: „Bin ich bereit, meine Zustimmung zu geben?“ und „Wie fühle ich mich bei dieser Zustimmung?“
Beim Dienen geht es darum, das Gewünschte deines Gegenübers zu erkennen und zu erfüllen, während du sicherstellst, dass du bereit bist, das Gewünschte aus vollem Herzen zu geben: “Ja, ich bin bereit zu handeln, um dir zu nutzen”. Das Geschenk, was du gibst, ist dein Tun - du trägst dazu bei, dass dein Gegenüber eine Erfahrung machen kann.
Nehmen ist eine aktive Form des Empfangens, bei der du das Geschenk bekommst, Zugriff auf einen anderen Menschen zu haben. Du klärst die Grenzen des anderen und fragst direkt nach Erlaubnis: „Darf ich...?“ (nicht: “Hättest du gerne…?”). Wenn du dann den Körper des Anderen berührst und ihn fühlst, dann diene dabei nicht. Sobald du anfängst zu “geben”, ist die Berührung nicht mehr für dich. Frage dich: "Wie kann ich klar und respektvoll kommunizieren, wenn ich die Übernahme haben möchte?” und: “Bin ich bereit, die volle Verantwortung für eine Handlung, Berührung oder Entscheidung zu übernehmen?"
So meine Lieben, das war ein langer Beitrag zum Thema Konsens und ich hätte noch so viel mehr schreiben können - es lohnt sich so sehr, sich mit dem Thema zu befassen. Wir alle bekommen dadurch ein besseres Gefühl für Grenzen und können so viel Sicherheit im Umgang mit unserem Gegenüber erlangen.
Mir persönlich hat die Beschäftigung mit Dr. Betty Martin gelehrt, das es ein wunderbares Gefühl sein, über den Körper des Anderen mit dessen Zustimmung verfügen zu dürfen und voll in ein “Ich darf das!” zu gehen - ganz ohne gleichzeitig Geben zu müssen. Aber auch der Denkanstoß, dass es ein Unterschied zwischen Erlauben, Annehmen, Dienen und Nehmen gibt, hat mich ungemein bereichert. Ich hoffe du konntest auch was mitnehmen!
Eru