Japanische Fesselkunst- für mehr Freude zu zweit
Ohne Vorkenntnisse wunderschöne Fesselungen lernen- ästhetisch, sicher und 100% einsatzfertig.
Ohne Vorkenntnisse wunderschöne Fesselungen lernen- ästhetisch, sicher und 100% einsatzfertig.
In diesem Beitrag möchte ich dir ein paar Tricks vorstellen, wie wir die Neurobiologie unseres Gehirns nutzen können, um schneller und effektiver fesseln zu lernen oder unsere Fähigkeiten zu verbessern.
Jeder der schon mal selbst gefesselt hat (oder es probiert hat) weiß, dass das Fesseln viel herausfordernder sein kann, als man vielleicht zunächst annehmen mag. So ist es sicher jedem schon mal passiert, dass man sich ein bestimmtes Muster oder eine Fesselung vorgenommen hat und diese partout nicht nachgebaut bekommen hat. Oder dass man die Abfolge für eine neue Figur einfach nicht auf die Kette bekommt, obwohl es doch so einfach und logisch erscheint…
Der Kopf glüht dann genauso wie die Finger und man fragt sich vielleicht, warum das Fesseln lernen so fordernd und lange dauern kann…
Die Antwort ist, dass unser liebstes Hobby eine Vielzahl an neuronalen Funktionen erfordert, die alle nach- und miteinander abgerufen werden müssen. Ich hab dir mal eine kleine Auswahl der verschiedenen Gehirnfunktionen aufgelistet, die du beim Fesseln aktiv abrufen musst:
Das ist ganz schön viel, oder? Kein Wunder also, dass man nach einer guten Fesselsession zwar glücklich, aber auch völlig erledigt ist. Und es ist dann vielleicht auch keine Überraschung mehr, warum es viel länger dauern kann, das Fesseln zu erlernen, als z.B. ein neues Kochrezept drauf zu kriegen, ein neues Computerprogramm zu verstehen oder ein weiteres Musikinstrument zu lernen. Das Fesseln macht ein ganzes Feuerwerk an Synapsenimpulsen im Gehirn - wir arbeite mit uns selbst, bewegen uns im Raum, achten auf unseren Partner, kommunizieren, erinnern, verarbeiten, planen und lösen und das alles in Kombination mit Emotionen und höchster Achtsamkeit. Eine wirklich anspruchsvolle und beeindruckende Tätigkeit.
Doch was können wir tun, um schneller und nachhaltiger Fesseln zu lernen? Warum fällt es einigen Menschen scheinbar leichter, sich neue Muster und Abläufe zu merken? Hier spielt die Neurobiologie eine überraschend große Rolle. Wenn wir verstehen, wie unser Gehirn arbeitet, können wir gezielter üben und effektiver lernen.
Neurobiologie ist die Wissenschaft von der Struktur und Funktionsweise unseres Nervensystems, insbesondere des Gehirns. Es untersucht, wie Neuronen (Nervenzellen) miteinander kommunizieren und wie Prozesse wie Lernen, Gedächtnis und motorische Steuerung funktionieren. Im Groben kann man sagen, dass wir aus neurobiologischer Sicht eine Hardware haben, nämlich unser Gehirn und das Nervensystem. Die Prozesse, die auf dieser Hardware ablaufen, werden durch Botenstoffe wie Noradrenalin, Serotonin, Dopamin, Endorphine, Adrenalin, Oxytocin und viele andere Neurotransmitter und Hormone moduliert.
Warum Neurobiologie wichtig für das Lernen ist
Unsere Gehirnzellen, die Neuronen, verbinden sich in sogenannten neuronalen Netzwerken. Wenn wir etwas Neues lernen – sei es eine Stricktechnik, eine Fremdsprache oder eben das Fesseln – bilden sich neue Verbindungen in diesen Netzwerken. Unser Gehirn ist also form- und veränderbar durch Erfahrungen, Wiederholung und durch Lernen. Diese Eigenschaft nennt sich “Neuroplastizität”.
Jedes Mal, wenn wir etwas wiederholen, verändert sich unser Gehirn ein wenig – vergleichbar mit einem matschigen Feld, auf dem wir immer wieder dieselben Pfade laufen. Die am häufigsten genutzten Pfade werden dabei tiefer und breiter, sodass die Schritte leichter fallen und der Weg immer klarer wird.
Konkreter Tipp 1: Studien haben gezeigt, dass kurze und tägliche Übungseinheiten viel besser sind, als lange. Wenn du also täglich oder alle zwei Tage nur ein bis zwei Fesselungen wiederholst, ist das sinnvoller und effektiver, als wenn du alle zwei Wochen für 5 Stunden am Stück fesselst.
Konkreter Tipp 2: Beim Fesseln spielt das sog. “Muskelgedächtnis” eine zentrale Rolle. Mit jeder standardisierten Bewegungsabfolge (z.B. Gote Shibari/Takate Kote, Single Column Tie, Futomomo) festigt sich das neuronale Netzwerk, wodurch die Bewegungen immer automatischer und flüssiger ablaufen. Das nennt man dann "Muskelgedächtnis", da die Bewegungsabfolgen scheinbar wie von selbst ablaufen.
Genau das ist es auch, was uns später größtmöglichen Freiraum beim Fesseln gibt: wir müssen uns nicht mehr so sehr auf die Bewegungen konzentrieren (die laufen irgendwie wie von allein) und haben damit Kapazität für das eigentlich wichtige, wie z.B. die Verbindung zum Modell oder andere schöne und versaute Sachen. Unser bewusst gelerntes Wissen geht in das Unterbewusstsein ein - wir müssen es nicht mehr bewusst steuern.
Etwas ähnliches kennst du vielleicht vom Autofahren - während du bei den ersten Fahrstunden noch ängstlich am Lenkrad geklebt hast, kannst du dich aufgrund von verdichteten neuronalen Netzwerken nun zurücklehnen und dich - während du fährst - z.B. auf die Musik im Radio oder ein Gespräch konzentrieren.
Übrigens: Die Neuroplastizität bleibt uns bis zum Lebensende erhalten. Jeder Mensch kann - egal in welchem Alter- aus der Sicht der Neurobiologie neue Dinge lernen oder ein Verhalten ändern.
Unser Gehirn ist ständig damit beschäftigt, Dinge aus unserer Umwelt und Resultate unseres Handelns vorherzusagen. Wenn ein Resultat oder ein Ergebnis dann genauso ist, wie unser Gehirn es vorhergesagt hat, wird das Ergebnis nicht weiter verarbeitet und als unbedeutend eingestuft. Bekommen wir aber ein besseres Ergebnis - z.B. wenn eine Fesselung bedeutend schöner geworden ist, als wir angenommen haben oder die neue Fesselung unserem Model viel besser gefällt als erwartet - aktiviert unser Gehirn das Dopaminsystem, welches auch Opioide im Frontalhirn freisetzt. Und genau diese Opioide sind der sog. “Türöffner”: Die Verhaltenssequenz, die zu dem besseren Ergebnis geführt hat, wird nun im Gehirn abgespeichert.
Das heißt, die Dopaminausschüttung, die wir zum Lernen brauchen (also einen positiven emotionalen Belohnungszustand) gibt es nur, wenn das Ergebnis besser ist, als vom Gehirn vorhergesagt wurde. Und nur wenn es eine positive Erfahrung gab, wird etwas neues nachhaltig im Gehirn verändert und wir haben etwas gelernt. Das erklärt auch, warum ein motivierter Sport-Bergsteiger immer den nächst höheren Berg erklimmen möchte und sich nicht mit der Besteigung des immer gleichen Berges zufrieden gibt: Sein Gehirn gibt ihm für das Erbringen einer bereits bestandenen Aufgabe nicht mehr dasselbe Maß an Dopamin, als wenn er etwas erreicht, was er zuvor noch nicht erreicht hatte.
Dopamin wird übrigens auch als “Neuronendünger” bezeichnet: Das positive Belohnungsgefühl versetzt unser Gehirn in einen lernbereiten Zustand und neue Informationen können erfolgreich verankert werden. Es gibt also nichts besseres, als wenn du dich über dein Ergebnis freust, stolz auf dich bist oder dir auch mal selbst auf die Schulter klopfst.
Konkreter Tipp 1: Setz dir Ziele, die realistisch für dich erreichbar sind, wie z.B. den Takakte Kote flüssig zu fesseln oder eine gleichmäßige Seilspannung für einen Futomomo hinzubekommen.
Konkreter Tipp 2: Wisse um die Ausschüttung von Dopamin. Wenn du längere Zeit nicht gefesselt hast und dann von dir selbst perfekte Fesselungen erwartest, wirst du höchstwahrscheinlich enttäuscht und es gibt kein Dopamin und Frustration setzt ein. Wenn du hingegen häufig fesselst, musst du dir immer wieder kleine Challenges setzen, die du meistern kannst und worin du dich verbessern kannst. So bleibt das Belohnungssystem aktiv.
Übrigens: Einer der bedeutsamsten Lernverstärker sind andere Menschen. Da wir von unserem Grundaufbau her soziale Wesen sind, lernen wir um ein Vielfaches schneller, wenn wir positives Feedback von anderen bekommen oder unser gelerntes Wissen positiv in die Gemeinschaft einbringen dürfen. Heißt auch, dass dich dein Gehirn doppelt belohnt, wenn dein Modell mit dir und deiner Fesselung zufrieden ist. Das muss keine besonders komplizierte Fesselung sein - eine besonders emotional und gefühlvolle einfache Technik kann dafür auch schon völlig genügen.
Manchmal haben wir keine Möglichkeit, im Alltag das Fesseln zu üben oder anzuwenden. Entweder mangelt es uns an Zeit, Gelegenheit oder unser Modell ist gerade nicht verfügbar. Da wir aber Kenntnis über unsere Neurobiologie haben, können wir uns ein paar Tricks zu Nutze machen, um dennoch im Fesseln weiterzukommen.
Trick Nr. 1: Mentaltraining
Studien zeigen, dass mentales Training fast genauso effektiv sein kann wie das tatsächliche physische Training. Dies liegt daran, dass das Gehirn bei der mentalen Vorstellung ähnliche neuronale Netzwerke aktiviert, wie bei der tatsächlichen Tätigkeit. Du kannst also mit geschlossenen Augen dir einfach vorstellen, wie du eine bestimmte Fesselung machst und die Abfolge durchgehen. Stell dir jede Bewegung so genau wie möglich vor.
Trick Nr. 2: Die Erwartung von Dopamin erhöhen
Du kannst dir Bilder und Videos von Fesselungen ansehen und eine kleine Screenshot-Bilderdatenbank von Fesselungen auf dem Handy anlegen, die du besonders schön findest oder lernen möchtest. Dadurch aktivierst du bereits das Belohnungssystem, da sich das Gehirn den Zustand von Glück und Freude bereits vorstellt und kalkuliert.
Z.B.: “Wenn ich diese oder jene Fesselung/ Körperhaltung lerne und mit meinem Modell mache, dann wird sie/er bestimmt mit Ekstase/Zufriedenheit/Freude reagieren”. In diesem Beispiel haben wir auch eine externe Verstärkung durch unser soziales Umfeld (Modell ist zufrieden).
Schon die bloße Vorstellung, eine bestimmte Fesselung erfolgreich zu meistern, setzt unser Belohnungssystem in Gang und Dopamin wird ausgeschüttet. So bleiben wir dran und arbeiten auf unsere Ziele hin. Wir lernen schneller, sind motivierter und haben mehr Spaß dabei.
Trick Nr. 3: Seil- Aufgaben lösen
Wir können unser Vorstellungsvermögen und unsere Merkfähigkeit beim Fesseln ganz wunderbar trainieren, wenn wir alternative Techniken mit Seilen und Schnüren üben. Du kannst z.B. damit beginnen, Stricken oder Häkeln mit Hilfe eines Youtube-Tutorials zu lernen. Du kannst Blumentopf-Halterungen mit Makramee knüpfen, Knoten aus der Schifffahrt üben oder den Krawattenknoten meistern. Wichtig ist dabei: Weder muss der Krawattenknoten am Ende sitzen, noch muss dein geknüpftes Freundschaftsarmband am Ende vorzeigbar sein. Sieh es eher als reines Training, z.B. der Hand-Auge-Koordination, der Merkfähigkeit, des kognitiven Denkens, etc.
Ich gebe meinen fortgeschrittenen Schülern gerne Denkaufgaben mit dem Seil als Übung mit. Sie bekommen ein Bild und sollen versuchen, z.B. einen Deko-Knoten nachzubauen. Es geht um das aktive Bemühen, nicht um ein schönes Ergebnis. Irgendwann wird das Gehirn aber immer besser und schneller und kann dann die verdichteten neuronalen Netzwerke zum Fesseln mit dem Seil nutzen, um schneller voranzukommen.
Hier eine kleine Aufzählung von Möglichkeiten aus der Trickkiste:
Es geht nur darum, dass wir etwas tun, was genau das neuronale Netzwerk aktiviert, was wir auch zum Fesseln brauchen.
Die Erkenntnisse aus der Neurobiologie sind universell und lassen sich auf viele Bereiche anwenden, in denen wir etwas Neues lernen möchten