Warum wir unsere Modells nicht mehr als “Bunnys” bezeichnen sollten, konntest du bereits in diesem Beitrag lesen. Aber hast du dich jemals gefragt, warum sie überhaupt so gerne gefesselt werden wollen?
Die Idee dahinter ist ganz einfach: Je besser wir die Motive, Intentionen und Wünsche unserer Modells verstehen - oder zumindest als Spektrum der Möglichkeiten im Hinterkopf behalten- desto besser werden wir fesseln. Wir bekommen mehr Informationen, welche zu mehr Sicherheit in unserem Handeln und daher zu besseren Fesselsessions und schöneren Erlebnissen am und im Seil führen. Los geht´s!
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Kontrolle abgeben - aber sicher (die zwei häufigsten Motive)
Die Frage, warum sich Modells gerne fesseln lassen wollen, kann pauschal für alle natürlich nicht beantwortet werden - dafür ist es zu individuell und Bondage allgemein auch viel zu vielfältig. Aber es gibt ein paar einschlägige und sehr verbreitete Motivationen, die immer wieder genannt werden: Der Wunsch, die Kontrolle abzugeben und die Neugier, etwas spannendes auszuprobieren, was neue Erfahrungen mit dem Körper oder innerhalb einer Beziehungsdynamik verspricht. Schauen wir uns das mal genauer an:
Der Wunsch, (kontrolliert) die Kontrolle abzugeben bedeutet, dass man sich fallen lassen darf und jemand anderes die Kontrolle übernimmt. Man selbst kann in der Situation (fast) nichts mehr entscheiden und ist weder verantwortlich für das Ergebnis noch muss man etwas leisten, abwägen oder planen. Unser Frontaler Cortex im Gehirn - der Bereich, der für genau jene evolutionär spät entwickelten höheren kognitiven Funktionen wie Planen und logisch Denken verantwortlich ist - darf endlich mal entspannen. In einem Spiel, wo noch nicht mal mehr die Haltung und Position des Körpers selbst bestimmt werden kann, bleibt als winzige Freiheit nur das Atmen, Sein und Fühlen.
Wichtig bei diesem Punkt ist allerdings die kontrollierte Kontrollabgabe. Niemand würde sich in diesen Zustand hineinbegeben, wenn er oder sie nicht wüsste, dass es zeitlich begrenzt und ein Spiel im sicheren Rahmen ist. Diese Sicherheit bietet, gewährt und hält allein die fesselnde Person.
Oft mischt sich dieser Wunsch auch mit einem Erkundungsdrang und einer Neugier: welche Erlebnismöglichkeiten bietet mir mein Körper noch? Welche Welten kann ich noch in meiner Partnerschaft entdecken? Diese Neugier ist fest programmiert in uns Menschen - wir wollen unsere Lebenswelt mit all ihren Möglichkeiten erkunden und ausprobieren.
Für den einen genügt das Abendessen in einem neuen Restaurant mit besonders kreativer Küche- für jemand anderen darf es aber gerne eine körperliche Erfahrung sein, die den gewissen Kick mitbringt: man weiß vorher nicht genau was passiert. Es ist ein bisschen verrucht und dreckig - gleichzeitig künstlerisch und eigentlich auch nicht so weit entfernt von einem Makrameekurs. Es hat was von Yoga und dennoch kann man die ein oder andere erotische Fantasie gefesselt und ausgeliefert im Seil nicht ganz leugnen.
Das alles ist ideal für Sensation-Seeking und Adrenalin-Junkies und all jene, die sich trauen über den Tellerrand zu sehen und mutig genug sind, ihrem urmenschlichen Impuls der Neugier zu folgen.
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Über Fetischisten, Schmerzen und den Körper
Diese beiden Motive können als eine Art Basis verstanden werden - darauf aufbauend gibt es verschiedene weitere Aspekte. Mit dabei sind z.B. die dankbaren und leicht zufrieden zu stellenden Seilfetischisten sowie alle Menschen, die ganz einfach das Gefühl von Seilen auf der Haut schön bis geil finden.
Dicht gefolgt von jenen Modells, die durch eine Fesselung einfach zu Ruhe und Entspannung finden - die Psychoanalyse bietet hier sogar eine mögliche Erklärung: So soll uns die Enge an den frühkindlichen Zustand im Mutterleib erinnern und uns daher Geborgenheit, Halt und das Gefühl von Sicherheit vermitteln.
Diesen Halt und das gehalten werden (durch Seile oder die fesselnde Person) sowie die Nähe und (zwangsläufige) Berührung (auch Selbstberührung in der Fesselung) führen bei den allermeisten Menschen zu einer Co-Regulation: Sie fühlen sich allein schon durch das gefesselt werden und den engen Kontakt zu einer anderen Person wohler, ruhiger und sicherer. Sie werden auch in der Fesselung gesehen und gehört - ein Zustand, der für viele Menschen leider nicht zur Grunderfahrung im Leben gehört - und jede Emotion hat genug Raum und Zeit, um gefühlt zu werden.
Aber nicht jedes Modell möchte so weit gehen- um so viel Emotion im Seil zu erleben, braucht es viel Vertrauen, Erfahrung und Offenheit. Bei manchen ist die Motivation daher viel leichter und simpler - im besten Sinne: Sie haben einfach Bock auf sexuell erregende Situationen, die aus Fantasien entspringen und diese wiederum füttern. Hier ist nicht nur die Mischung Sex & Adrenalin das Kraftfutter, sondern vielleicht auch die Hoffnung, für Sex oder sexuelle Bestätigung (ein Bedürfnis, was ganz normal in unserer Hartverdrahtung angelegt ist) einmal nichts leisten oder performen zu müssen - weil man sich einfach the fuck nicht bewegen kann.
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Die Challenge - Schmerz als Ressource
Seilmodell zu sein läuft bei manchen aber nicht nur als Hobby und nettes Erlebnis, sondern manchmal sogar auch auf der Identitätsebene. Das heißt, dass das Modell sich durch die wiederholte Erfahrung im Seil in Persönlichkeitsaspekten erlebt, die sehr bestärkend sind und die positiv verankert wurden. Wenn man gefesselt von der Decke hängt, ist das definitv cool und was besonders. Aber man muss auch stark sein und mutig. Man wird vom Seil gezwungen, sich mit seinem eigenen Körper auseinander zu setzen und Druck, Schmerz oder unangenehme Positionen auszuhalten. Das alles kann unser Gehirn als Ressource nutzen - man lernt, dass man was aushält und da durch kommt. Man wird früher oder später dazu gezwungen zu lernen, dass man kommunizieren muss - und dass man sehr wohl Einfluss auf seine Situation nehmen kann (auch wenn scheinbar gar nichts mehr geht) und dass man gehört wird.
Manche Modells lieben es daher, wenn sie mit Druck, Dehnung und Zug klarkommen müssen und anstrengende Positionen aushalten müssen. Wenn die Seile sich einschneiden und die Fesselung so richtig schön unangenehm ist. Sie brauchen das, um daran zu wachsen und suchen bewusst diese Erfahrung. Die Challenge macht sie stärker, indem sie sie nachgiebiger und weicher macht. Klingt paradox, aber bei harten Fesselung ist Hingabe, Vertrauen und Akzeptanz der einzige Weg. Danach kommen die Endorphine und jede Menge Dopamin. Das Gehirn belohnt die Anstrengung verursacht bei nicht wenigen einen drogenähnlichen Rausch. “Runners High” nennen es die einen, “Subspace” oder “Happy Place” die anderen. Über die Unterscheidung der verschiedenen Zustände könnte ein weiterer Artikel geschrieben werden - so einfach ist es nämlich nicht.
Dennoch ist der Wunsch, mindestens einmal im Leben so komplett high weggetreten im Seil zu sein, bei vielen Modells präsent. Hier gibt es einige Naturtalente, die beim ersten Seil schon sabbern und in mit nach oben gedrehten Augen Zucken. Die meisten aber - machen wir uns nichts vor - brauchen lange bis sie sich fallen lassen können und zulassen. Hier ist das lenken des Fokuspunktes der Aufmerksamkeit ein großartiges Werkzeug. Es verursacht einen angenehmen Trancezustand, bei der die Achtsamkeit in den Körper und in den Moment verlagert wird - weg vom Einkaufszettel für morgen, rein in die Verbindung und das bewusste Wahrnehmen von Seil, Fesselndem und Körper.
4. Drei Wünsche, die wirklich jedes Bondagemodell (insgeheim) hat
Am Ende dieses Gedankenspazierganges möchte ich dir noch ein paar Tipps mitgeben, worauf eigentlich jeder Mensch, der gefesselt im Seil ist, abfahren wird: Jeder Mensch hat irgendwo in sich das Bedürfnis, zu gefallen und soziale Bestätigung zu erfahren. Diesem Bedürfnis sollten wir nachkommen, indem wir folgende Punkte umsetzen:
- Jedes Bondagemodell möchte gut aussehen - wir fesseln also immer so, dass das Modell darin hübsch ist. Bau vernünftige Fesselungen, die gut aussehen und dann lass dein Modell darin strahlen. Sag, dass sie wunderschön sind - in ihrer Verletzlichkeit, in ihrer Hingabe, in der Fesselung. Hier muss es nicht um Schönheit im klassischen Sinn gehen, sondern schön ist auch, wer sich authentisch zeigt.
- Die allermeisten Bondagemodelle lieben es, wenn sie gelobt werden - z.B. für ihre Geduld, für ihre Stärke, für ihr Vertauen oder für das erfolgreiche Aushalten einer harten Fesselung.
- Jeder Mensch möchte gesehen und wahrgenommen werden - in allen Emotionen. Ungeteilte Aufmerksamkeit ohne Handy dazwischen und ohne jede andere Ablenkung kann sehr, sehr, sehr viel Verbindung schaffen. Beobachte dein Modell und bleib da mit deinem Fokus. Versuch jede kleinste Regung, jede Mimik und jedes Atmen mitzubekommen und als nonverbale Kommunikation für dich aufzunehmen. Wann haben wir sonst jemals im Leben die absolute, hundertprozentige, ungeteilte und positiv intendierte Aufmerksamkeit eines Menschen? nicht oft.
Ich hoffe ich konnte dir ein paar Ideen mit auf den Weg geben. Natürlich ist dieser Beitrag nicht vollständig - es gibt so viel mehr Gründe, warum jemand das Fesseln so liebt, als ich hier aufnehmen kann. Wichtig ist aus meiner Sicht aber vor allem, dass wir uns als Fesselnde fragen, warum. Wenn wir das Warum einer Person erkennen und verstehen, können wir bessere Entscheidungen treffen. Dasselbe gilt aber auch für uns: Was ist dein Warum? Warum möchtest du fesseln?