Ippon Nawa - Weniger ist Mehr

    Wenn wir beim Fesseln bewusst wählen, mit nur einem einziges Seil zu arbeiten, dann praktizieren wir Ippon Nawa, sogenannten “Ein-Seil-Fesselungen”.  In diesem Beitrag zeige ich dir, warum es sich für dich mehr als lohnen kann. 

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    1. Was heißt jetzt Ippon?

    “Ippon” ist einfach das Wort für “Eins”. Die Japaner nutzen es, wenn sie Dinge zählen. “Nawa” ist das Seil. So kommen wir zu der Übersetzung “Ein Seil”. Korrekt müsste es eigentlich “Ippon me no nawa” heißen (dt. “Das erste Seil”). 

    Zusatz-Info: Im Japanischen gibt es verschiedene Wörter für “eins”, “zwei, “drei” - je nachdem, was genau gezählt wird. So werden Menschen anders gezählt als kleine Tiere (“hitori”: “ein Mensch”, aber “ippiki”: “ein kleines Tier”). Während flache Dinge mit “ichimai” gezählt werden, ist das Erste lange, dünne Dinge (wie z.B. ein Seil, ein Regenschirm, ein Stift, etc.), “ippon”. 

    Wichtig zu wissen ist vor allem, dass Ippon Nawa keine eigene Technik ist, sondern jede Fesselung zu einer Ippon Nawa-Fesselung gemacht werden kann. Es ist eher eine Kategorie, Haltung oder Trainingsmethode innerhalb des Shibari. 

    1. Worum geht es beim Ippon nawa?

    Beim Ippon nawa-Fesseln sind wir gezwungen, anders zu denken, anders zu fesseln und eine andere Herangehensweise zu haben, als sonst. Die Reduzierung auf nur ein einziges Seil bringt einen gänzlich anderen Fesselstil mit sich: Statt den Fokus auf der Technik zu halten, geht es mehr um Verbindung. Statt anspruchsvolle Suspension gibt es viele Mini-Ties, die wie von selbst aus den Händen fallen können oder lang erprobte Basics sind. Wir können uns erlauben, das Seil, uns selbst und unser Model bewusster wahrzunehmen - denn wir haben nicht die Möglichkeit, unendlich zu verfeinern, anzubauen und Großprojekte zu umzusetzen. Wir müssen einfach nach wenigen Handbewegungen schon zu Ende kommen. 

    Und dennoch ist es kein Ende. Wir sind nicht fertig, denn es bleibt ein Fließen, ein Verändern, ein stetes Umbauen. Ippon Nawa-Ties sind nicht dafür gemacht, minutenlang unverändert abgestellt zu werden. Nichts ist hier jemals fertig. Die Schnelligkeit lädt uns ein, immer wieder zu experimentieren und neu zu denken. Andere Wege zu gehen. Es ist nicht schlimm, wenn mal ein Seil rutscht oder eine Figur nicht funktioniert - denn darum ging es nie. Es ist auch egal, wenn eine Fesselung nicht schön geworden ist und schon gar nicht perfekt. Es geht um den Moment, der Wahrgenommen und miteinander gefühlt wird - durch das Seil. Wir sollen bei einer Ippon Nawa Fesselung nicht groß nachdenken müssen. Es geht um das Üben der immer wieder gleichen Bewegungen oder das bewusste Freilassen unserer Hände, geführt vom Gefühl und der Intuition. 

     

    1. Ursprünge

    Vielleicht sind Ippon nawa Fesselungen einfach nur Fesselungen mit einem einzigen Seil, wie jeder Anfänger vielleicht so wie so hätte beginnen müssen. Vielleicht aber ist mehr dran, als man auf den ersten Blick meint: 

     

    Kata im Japanischen Kampfsport

    Eine “Kata” bedeutet soviel wie “Form” oder “Schablone”. Sie ist im Kampfsport ein festgelegter - nahezu ritualisierter - Bewegungsablauf, der immer und immer wieder allein oder mit einem Partner trainiert wird. Selbst die Großmeister trainieren dieselben Katas wie die Anfänger - damit soll nicht nur der wertvolle “Anfängergeist” bewahrt werden, sondern auch, weil jede Kata eine Weisheit in sich trägt, die sich dem Praktizierenden nur durch Wiederholung offenbart.  

    Zitat Kata

    Durch das wiederholte Üben der immergleichen Katas wird der Körper konditioniert: Haltung, Atmung, Gleichgewicht, Timing werden in Einklang gebracht und tief im Muskelgedächtnis gespeichert. Die Wiederholung ist zugleich auch eine Achtsamkeits- und Konzentrationsübung - vielleicht auch eine Meditation in Bewegung. Gleichzeitig trainiert sie Körperbewusstsein, mentale Stärke, Geduld und Präzision. 

    Bei einer Kata geht es oft um das Detail und um die Entwicklung eines tieferliegenden Verständnisses, noch so kleiner Bewegungen. Wer zuviel denkt wird genauso wie der Gedankenlose keine Fortschritte machen. 

     

    Der Schüler fragte: „Wie lange soll ich dieselbe Kata üben?“

    Der Meister sagte: „Bis du sie vergessen hast.“

     

    Die Kraft der Wiederholung und Einfachheit im Zen

    Eine Anekdote (Koan) aus dem Zen-Buddhismus sagt: 

    Ein Schüler fragt: „Was ist Zen?“
    Der Meister antwortet: „Gehe deine Suppe essen.“

    Dieses Denkrätsel gibt einen Anstoß dahin, die einfachen Dinge zu tun - ohne sie dauernd zu hinterfragen. Die Weiterentwicklung des Geistes passiert im bewussten Wahrnehmen des sich wiederholenden Tuns des Alltags, nicht im Denken. 

    Im Zen geht man davon aus, dass gerade das Einfache, das Langsame und das sich Wiederholende - wie z.B. das Fegen des Weges, das Zubereiten des Tees, das Anzünden einer Kerze oder das Gehen -  den Gedankenstrom vom Ego auf die Gegenwart im Hier und Jetzt lenken und innere Stille bringen. Es geht nicht darum, etwas immer besser und perfekter zu machen oder etwas neu zu interpretieren, schneller oder schöner zu machen. Sondern darum, sich einer einfachen Aufgabe vollständig hinzugeben. 

    Im Zen ist man auch niemals fertig. Es geht nicht um das Ergebnis, sondern um den Weg dorthin. 

     

    “Wirkliches Verständnis kommt nicht von Abwechslung, sondern durch Tiefe.” 

     

    Vielleicht sind diese Gedanken hilfreich für dich, Ippon nawa neu einzuordnen und nicht als lästige Geduldsprobe oder bloßes “Warm up” zu sehen. 

     

    1. Die häufigsten Ippon nawa Ties

    Nun, wo wir ein bisschen was über mögliche Hintergründe von Ippon nawa gesprochen haben, schauen wir uns doch einmal an, welche Ein-Seil-Fesselungen besonders gut geeignet sind: 

    Aufzählung der bekanntesten Ippon Nawa Fesselungen

     Grundsätzlich kannst du fast jede Fesselung auch als Ippon nawa Fesselung anwenden. Bei manchen Fesselungen reduziert man sich zusätzlich auf eine einfache statt einer doppelten Seillage, um mit den 8 Metern (eigentlich 4m) gut haushalten zu können. 

     

    1. Wann und wie du Ippon nawa hervorragend einsetzen kannst

    Ippon nawa ist super geeignet als Einstieg für eine Fessel-Session. Aber auch, wenn du mal keine Idee hast und nicht weißt, wie du anfangen sollst. 

    Aufzählung der Vorteile von Ippon Nawa

     

    6. Meine Tipps für deine Ippon nawa-Session

    Vier tipps für Ippon Nawa Fessel-Session

     

    1. Fazit

    Als ich angefangen habe zu Fesseln, hat mir mal jemand mit einem Augenzwinkern folgende Geschichte erzählt: 

     

    “Wenn du in Japan wirklich Shibari lernen möchtest, dann musst du erstmal 2 Jahre nur die Laubblätter um das Shibari-Dojo herum fegen. Danach darfst du dem Meister 2 Jahre lang nur zuschauen. Danach 2 Jahre nur Seile legen und dann 2 Jahre lang nur abfesseln. Danach erst darfst du selbst das erste Mal fesseln.” 

     

    Wir haben uns über die Japanische Lehrmethode damals lustig gemacht und waren uns einig, dass wir das hier in Deutschland besser machen und und niemand die Geduld und die Zeit für solche jahrelange Ineffizienz hätte. 

    Bis heute weiß ich nicht, ob diese Geschichte jemand wirklich so erlebt hat oder sie einfach nur erfunden war. Dennoch würde ich sie heute etwas anders einordnen - trotz aller Übertreibungen-  denn sie hat vermutlich einen wahren Kern...

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